Verfassungsbeschwerden

Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher nationaler Rechtsbehelf. Mit diesem kann, zumindest in der Theorie, „jedermann” Grundrechtsverletzungen durch die staatliche Gewalt auch ohne anwaltliche Hilfe vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe rügen. Voraussetzung ist allerdings, dass zuvor der ordentliche Rechtsweg beschritten und erschöpft wurde. Insgesamt muss der Beschwerdeführer im Vorfeld somit alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Rechtsbehelfe genutzt haben. Das Bundesverfassungsgericht ist keine „Superrevisionsinstanz“.

Entsprechend eingeschränkt ist auch der vom BVerfG im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde angelegte Prüfungsmaßstab und -umfang. Es wird gerichtlich ausschliesslich überprüft, ob ein Verstoss gegen das Grundgesetz gegeben ist und ob es zur Durchsetzung der verfassungsmässigen Rechte des Beschwerdeführers geboten ist über dessen diesbezügliche Verfassungsbeschwerde zu entscheiden. Mit anderen Worten: Auch wenn eine Verletzung der Grundrechte eines Bürgers vorliegt kann das höchste deutsche Gericht eine Entscheidung in der Sache, zudem ohne Begründung (!), verweigern. Dies nennt sich dann Nichtannahmebeschluß.

Eine solche Entscheidung ist darüber hinaus unanfechtbar. Mittlerweile ist das höchste innerstaatliche Gericht jedoch für Teilbereiche auf dem Gebiet der Verletzung von Menschenrechten auch „Instanzgericht“ für die Erschöpfung des Rechtswegs zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser spekuliert innerhalb der Überprüfung der Zulässigkeit einer Menschenrechtsbeschwerde zwar nicht über die Beweggründe des Bundesverfassungsgerichts für die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung, ist aber, nach einer Novellierung seiner Geschäftsordnung, ebenfalls in der Lage ohne eine Begründung in der Sache die Menschenrechtsbeschwerde wegen offensichtlicher Unbegründetheit als unzulässig zurückzuweisen.

Als Grund für diese erhebliche Beschneidung des Individualrechtsschutzes wird, sowohl seitens des EGMR als auch des BVerfG, auf die große und stetig steigende Anzahl von Beschwerden und die damit einhergehende Überlastung des Gerichts verwiesen. Es wird somit gegen die eigenen – freilich für die unteren Instanzen geschaffenen – Maßstäbe verstoßen. Nach diesen haben die Gerichte zur Eigen- und Fremdkontrolle ihre Entscheidungen zu begründen und der Staat hat grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass ausreichende sächliche, personelle und wirtschaftliche Mittel für eine funktionsfähige Justiz zur Verfügung stehen.

Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege liegen die – überwiegend strukturellen – Probleme zumeist nicht im materiellen Strafrecht sondern im Verfahrensrecht. Da diese Verstöße bereits vor den ordentlichen Gerichten für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden müssen, ist auch hier eine sachgerechte und nicht nur eine die Verurteilung begleitende Verteidigung schon zu Beginn des Ermittlungsverfahrens unerlässlich.