Mit der (Individual-)Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) kann die Verletzung der Menschenrechte, soweit diese durch die Europäische Menschenrechtskonvention oder ein ergänzendes Zusatzprotokoll geschützt sind, gerügt werden. Die insoweit geschützten Menschenrechte entsprechen nicht den durch das Grundgesetz normierten Grundrechten, obwohl viele Rechte gleichermaßen durch beide Regelungswerke geschützt werden.
Die Beschwerde zum EGMR gewinnt in einem auch strafrechtlich immer mehr zusammenwachsenden Europa stetig an Bedeutung. Es handelt sich gleichwohl um einen Rechtsbehelf, der nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Nicht in jeder Beeinträchtigung individueller Rechtspositionen liegt zwingend auch eine wieder gut zu machende Menschenrechtsverletzung. In der Regel eröffnen daher nur gravierende innerstaatliche Rechtsverstöße die Möglichkeit der Einlegung einer Beschwerde zum EGMR.
Nicht verkannt werden darf hierbei aber der grundsätzlich schwache Individualrechtsschutz den die Konvention der Menschenrechte (EMRK) durch ihre Anwendung und Auslegung in der Praxis dem einzelnen Bürger gewährt. Dieser beschränkt sich in der Mehrzahl der Fälle auf eine rein nachträgliche Kompensation der Verletzung des Menschenrechts in Form einer Geldzahlung durch den verurteilten Staat (sog. „Sekundärrechtsschutz“). Ursächlich hierfür ist zunächst die immer noch erhebliche zeitliche Dauer der Verfahren vor dem Gerichtshof. Wenn dieser entscheidet dauert die Rechtsbeeinträchtigung oftmals nicht mehr an. So gibt es etwa im Bereich der Untersuchungshaft tatsächlich keinen effektiven Primärrechtsschutz durch den EGMR. Zum Zeitpunkt einer Entscheidung ist der Haftbefehl entweder ohnehin schon aufgehoben, da der Betroffene sich entweder in Strafhaft befindet oder das innerstaatliche Verfahren nicht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Beschleunigung gerecht wurde und daher bereits eine Verschonung des Beschwerdeführers von der Untersuchungshaft erfolgt ist.
Des weiteren kann der EGMR die unterliegende Regierung nicht anweisen oder innerstaatliche Entscheidungen unmittelbar aufheben. Seine Kompetenz erschöpft sich vielmehr im Wesentlichen in der Abgabe von Empfehlungen und der Verurteilung zu Zahlung eines Betrages in Geld, wobei selbst dieser Titel nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann.
Durchgesetzt werden kann jedoch, abhängig von den Besonderheiten im Einzelfall, eine Wiederaufnahme des innerstaatlichen Strafverfahrens, wenn dessen fehlerhaftes Ergebnis auf der vom Beschwerdeführer geltend gemachten und seitens des Gerichtshofs festgestellten Verletzung der Konvention beruht (§ 359 Nr. 6 StGB). Hier entfaltet die Menschenrechtsbeschwerde dann ebenso unmittelbaren wie effektiven Individualrechtsschutz.
Auch bei strukturellen und allgemeinen Verletzungen der EMRK, wie die Entscheidungen gegen Deutschland betreffend der Sicherungsverwahrung verdeutlichen, ist dies der Fall. Hier ist zudem in den meisten Fällen der Gesetzgeber gehalten, einen benannten Misstand durch entsprechende Novellierungen des Gesetzes zu beheben.