Staatsschutzverfahren

Ursprünglich waren die Staatsschutzdelikte im Wesentlichen in den §§ 80 ff. StGB geregelt. Rechtsgut dieser Straftatbestände ist in erster Linie die äußere und innere Sicherheit des Staates sowie seiner verfassungsgemäßen Ordnung. So richten sich der Friedensverrat (§§ 80 bis 80a StGB) und der Landesverrat (§§ 93 bis 101a StGB) gegen die Stellung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen Staaten, während der Hochverrat (§§ 81 ff. StGB) und die Rechtsstaatsgefährdung (§§ 84 ff. StGB) die innere Sicherheit des Staates betreffen. Weitere Staatsschutzdelikte sind z. B. die Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109 ff. StGB), die Verschleppung (§ 234a StGB) und die politische Verdächtigung nach § 241a StGB. Innerhalb dieser einzelnen Tatbestände des Staatsschutzstrafrechts gibt es wiederum zahlreiche Überschneidungen.

Der ehemalige Grundsatz, dass es nur um den Schutz der Bundesrepublik Deutschland geht, mit einigen Ausnahmen zu Gunsten der Vertragsstaaten der NATO und deren in der Bundesrepublik stationierten Truppen sowie zu Gunsten der ehemals in Berlin stationierten Soldaten der drei Westmächte, beansprucht keine Gültigkeit mehr. Den Schwerpunkt im Bereich des Staatsschutzes bilden heute die §§ 129 ff. StGB. Dies gilt insbesondere für § 129b StGB der kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland betrifft. Diese Vorschrift wurde im Jahre 2002 als Reaktion auf die terroristischen Anschläge in den USA am 9. September 2001 eingeführt. Demnach gelten die §§ 129 und 129a StGB auch für Vereinigungen im Ausland, namentlich Al-Kaida und ihre Unterorganisationen.

Wenn sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bezieht ist stets erforderlich, dass sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wurde oder das der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich zumindest im Inland befindet. In derartigen Fällen wird die Tat des weiteren nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz verfolgt. Wer als Freiheitskämpfer akzeptiert oder als Terrorist verfolgt wird entscheidet mithin die jeweilige Regierung über ihr zuständiges Ministerium. Dies verdeutlicht bereits den primär politischen Charakter der strafrechtlichen Verfolgung und die Aufweichung verfassungsrechtlicher Grundsätze in diesem Bereich.

Aber nicht nur die unglückliche Vermengung von Recht und Politik sondern ebenso die, insbesondere auch hinsichtlich der Weite des gesetzlichen Tatbestandes zutreffenden, verfassungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf die Bestimmtheit der Norm und die Einhaltung des Prinzips der Gewaltenteilung stellen ebensolche Besonderheiten dar, wie die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in erster Instanz und die Möglichkeit der Einleitung eines polizeilichen Gefahrenabwehrvorgangs nach dem – nach unserer Einschätzung ebenfalls verfassungswidrigen – Bundeskriminalamtsgesetz (BKAG) zur Verhinderung von Straftaten im Vorfeld der eigentlichen Ermittlungen.

Letzteres verwischt, in einem nicht hinnehmbaren Umfang, insbesondere auch die rechtsstaatlichen Grenzen zwischen vorbeugender und repressiver Polizeiarbeit. Diese Janusköpfigkeit führt im Ergebnis sowohl zu einer Vorverlagerung der strafrechtlichen Ermittlungen ohne die entsprechende Bindung an die Strafprozessordnung als auch zu einer ebenso intransparenten wie bedenklichen Verschiebung der behördlichen Zuständig- und Verantwortlichkeiten. Die Folge ist eine Verschleierung der Erkenntnisquellen und ihrer polizeilichen Nutzer.

Ebensowenig wird beim sog. „Krieg gegen den Terror“ das Trennungsgebot beachtet. Dies ist in Anbetracht der deutschen Geschichte mehr als unverständlich. In Ansehung der mit einer Geheimen Staatspolizei während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gemachten Erfahrungen ist demnach nämlich zwischen Nachrichtendiensten und Polizei eine strikte Trennung vorzunehmen. Hierdurch sollte nach dem Willen der alliierten Besetzungsmächte (sog. „Polizeibrief“) verhindert werden, dass in Deutschland erneut eine allmächtige politische Polizei entsteht. Dies ist (eigentlich) ein Grundsatz des bundesdeutschen Rechts, nach dem Aufgaben der allgemeinen Polizei und der (vorbeugenden) Aufklärung extremistischer Bestrebungen durch verschiedene, voneinander organisatorisch getrennte Behörden wahrgenommen werden sollen.

Darüber hinaus stehen grundsätzlich der Polizei die Befugnisse der Nachrichtendienste nicht zu und umgekehrt. Dies auch deshalb nicht, weil Maßnahmen der Geheimdienste nicht an das Legalitätsprinzip gebunden sind und auch keiner richterlichen Kontrolle, etwa in Form des Erfordernisses einer entsprechenden vorherigen Genehmigung durch ein Gericht, wie es bei grundrechtsrelevanten strafprozessualen Massnahmen der Fall ist, unterliegen. Die Nachrichtendienste sammeln Informationen, ohne auf eine richterliche Genehmigung – wie etwa die ordentliche Polizei bei der Überwachung des Fernmeldeverkehrs – angewiesen zu sein.

Dies gilt erst Recht für Informationen ausländischer Nachrichtendienste.

Die Verwertung derartiger – auch grenzüberschreitend gewonnener – Erkenntnisse aus der Schattenwelt der Nachrichtendienste höhlt daher die gesetzliche Regelungskonzeption der Strafprozessordnung aus und stellt den Betroffenen insoweit gänzlich schutzlos. Dies führt im Zusammenspiel mit den bereits genannten weiteren Besonderheiten und dem bekannten Ungleichgewicht in diesem Bereich zwischen den Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden und der Verteidigung im Ergebnis dazu, dass Verfahren nach § 129b StGB aus Sicht des Betroffenen bereits im Ansatz strukturell unfair sind und daher nicht mit Art. 6 EMRK (Grundsatz des fairen Verfahrens) in Einklang stehen. Das Ungleichgewicht zwischen dem staatlichen Verfolgungsanspruch auf der einen und den Rechten des Beschuldigten und seiner Verteidigung auf der anderen Seite tritt hier offen zu Tage.

Eine engagierte Verteidigung muss die vorstehenden Gesichtspunkte daher zur Durchsetzung der Rechte des – überdies in der Regel unter verschärften Bedingungen inhaftierten – Betroffenen unermüdlich im Verfahren thematisieren und beanstanden. Der Rechtsstaat läuft hier zudem Gefahr unglaubwürdig zu werden und sich seiner eigenen Werte zu entledigen. Im Recht heiligt der Zweck nicht die Mittel.