Das Auslieferungsrecht ist ein wesentlicher Bestandteil der – nicht nur innerhalb Europas – kontinuierlich zunehmenden grenzübergreifenden Strafverfolgung in einer globalisierten Gesellschaft. Ein Staat ersucht einen anderen ihm eine Person „auszuliefern“. Diese kann aus einem Drittstaat stammen oder Staatsangehöriger des ersuchenden oder ersuchten Staates sein. In Folge des Ersuchens wird der Betroffene angehalten und einem Richter vorgeführt.
Bereits zu diesem Zeitpunkt ist allergrößte Vorsicht geboten. Es gibt Amtsrichter die sich damit rühmen, dass bei ihnen bislang noch jeder Verfolgte sein (unwiderrufliches!) Einverständnis zu einer vereinfachten Auslieferung ihrer Person erklärt hätten. Hiermit einher geht ein erheblicher Verlust an Rechten. Eine derartiges Einverständnis sollte daher grundsätzlich erst nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt oder anderem sachkundigen Beistand erklärt werden.
In der Regel wird der Verfolgte nach seiner Vorführung in Gewahrsam genommen, um ihn im Anschluß der Strafgewalt des ersuchenden Staates zu übergeben. Hier beginnt das eigentliche Verfahren über die Auslieferung.
Zuständig hierfür sind in Deutschland in erster Instanz die Oberlandesgerichte. Diese entscheiden nicht nur über die Notwendigkeit der Auslieferungshaft sonder auch über die Zulässigkeit und Begründetheit der Überstellung. Der Verfolgte hat die Möglichkeit im Verfahren Einwendungen, etwa wegen der Befürchtung eines unfairen Verfahrens oder der Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im ersuchenden Staat, gegen seine Auslieferung zu erheben. Dies allerdings nur in einem sehr beschränkten Umfang. So wird beispielsweise der Tatverdacht keiner eingehenden Überprüfung in der Sache unterzogen. Die Auslieferung ist vielmehr ein zuvörderst formales Verfahren und erfordert daher entsprechende Kenntnisse der gesetzlich bestimmten Formerfordernisse.
Bereits dies verdeutlicht, wie die Zuständigkeit der mit besonderer Sachkunde ausgestatteten Oberlandesgerichte in erster Instanz, dass es sich um eine ebenso komplexe wie komplizierte Materie handelt und ohne fachlichen Beistand eine erfolgreiche Verteidigung somit zumeist nicht möglich sein dürfte. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Rechtsordnungen betroffen sind und der – sich in der Regel in Auslieferungshaft befindliche – Verfolgte auch keine eigenständige Einsicht in die Akten erhält. Bereits hierfür bedarf es eines Rechtsanwaltes.
Schliesslich ist das Recht der internationalen und intereuropäischen Rechtshilfe auch ein Gebiet welches sich ständig im (europa-) politischen Fluß befindet. Der europäische Haftbefehl, das Schengener Durchführungsübereinkommen über die vereinfachte Auslieferung innerhalb der Mitgliedsstaaten (SDÜ) und neu geschaffene Behörden wie OLAF, Europool oder demnächst die europäische Staatsanwaltschaft verdeutlichen dies eindrucksvoll.
Eine wesentliche Gefahr die diese Entwicklung mit sich bringt ist, dass in den Mitgliedsstaaten – besonders mit Blick auf die Menschenrechte und Grundfreiheiten des Einzelnen – tatsächlich und rechtlich bestehende Unterschiede im Rahmen der europapolitisch postulierten gegenseitigen Anerkennung im Verfahren ignoriert werden und die individuellen Rechte des Einzelnen auf der Strecke bleiben. Die gewünschte gegenseitige Anerkennung ist eine Fiktion, welche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Es kann weder von einer gemeinsam gewachsenen Wertegemeinschaft ausgegangen werden, noch hat der Rechtsstatt über Nacht in allen Staaten Europas im gleichem Maße Einzug gehalten. Eine tatsächliche Harmonisierung z.B. der Haftbedingungen oder des Umfangs der Rechte des Beschuldigten ist innerhalb der Grenzen Europas derzeit nicht erkennbar.
Die vor Ort, unter Hinweis auf fehlende Erkenntnisquellen und Verweis auf die Möglichkeit seine materiellen Einwände doch bitte bei Ankunft im ersuchenden Staat geltend zu machen, im Übrigen nur formal stattfindende Prüfung erfolgt zudem in der Regel unter Fortdauer der – je nach (Mitglieds-) Staat unter erschwerten Bedingungen vollzogenen – Auslieferungshaft. Der Verfolgte läuft daher im Verfahren über seine Auslieferung konkret Gefahr, zum bloßen Objekt des Verfahrens.
Dies und im Idealfall auch die Auslieferung zu verhindern ist eine unserer wesentlichen Aufgaben im Verfahren über die Auslieferung.